Fragen an Thorsten Encke

Fragebogen Thorsten Encke zum Response Projekt der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen 2007 

„Nichts hindert mich, alles unerschöpflich und unverbraucht zu finden…” – Rilke
 
Geburtstag und Ort: 24.1.1966 in Göttingen
 
Wo wohne ich: in Hannover
 
Mein erstes musikalisches Erlebnis: erinnern tue ich mich an Lieder von Schubert, Schumann, die schöne Müllerin, die Dichterliebe, gesungen von meinem Vater während ich im abends im Bett lag. Mein Vater sang mit einer schönen Tenorstimme; er bezeichnet sich als Natursänger, weil er nicht zählen kann (oder mag?). Meine Mutter, die ihn am Klavier begleitete, konnte zählen und lotste ihn sicher durch alle Untiefen. Meine Eltern sind begeisterte Laien. Und ich, das Kind im Bett? Das war herrlich!
 
Wie und warum ich wurde, was ich bin: meine Mutter hatte einmal einen Cellisten im Konzert erlebt, Enrico Mainardi; ich glaube, er sah sehr gut aus. Jedenfalls, ich sollte Cello lernen, hab’s auch brav getan und bin Cellist geworden. So war es ja gar nicht gemeint, als ich dann auch noch Komponist geworden bin – ein Freund hat mich angestiftet; er war auch Cellist und komponierte ständig – da war’s fast zu waghalsig. Aber nein, meine Eltern freuen sich doch drüber. (Übrigens, alle Cellisten sind entweder auch Dirigent oder Komponist; haben die nicht genug zu üben?)
 
Musik, die ich gerne mag und höre: tatsächlich höre ich leidenschaftlich gerne Musik, erstaunlich oder? Ich wage zu behaupten, hauptsächlich das Musikhören (und –lesen) hat meinen musikalischen Horizont aufgeklart. Nicht, dass er nicht mehr mitunter verhangen und nebulös wäre, aber der Trick funktioniert noch immer: ich höre ein Stück Musik und die musikalische Vorstellung beginnt sich zu ordnen. Also von Bach (der komplette Glenn Gould), Beethoven (Klaviersonaten), Schubert (Kammermusik, Klavier, Lieder), Schumann (den ich besonders liebe) hin zu Brahms (die späten Klavierstücke), ganz viel Liszt auch (merkwürdig, soviel Klaviermusik) während meines Studiums (oft nachts im Bett; prägend, die Kindheit) hin zu Debussy, zu Mahler (eine zeitlang), Schönberg, Berg, Webern (herrlich). Bartók, den ich anfangs überhaupt nicht leiden konnte, ist mir einer der innig verehrten Komponisten geworden. Überhaupt ist es die Musik, die ich mir erarbeiten musste, der ich ewige Treue entgegenbringe. Es gäbe noch einiges. Heute höre ich viel zeitgenössische Musik – eine spannende Welt und viel zu entdecken, hin und wieder Außergewöhnliches. Und die großen Meister wie Lutoslawski einer war, gibt es sie noch? Das muß sich später entscheiden.
 
Musik, die ich nicht mag und höre: wirklich, man muß heutzutage einiges ertragen, was man lieber nicht hören würde. Die Ohren kann man eben nicht verschließen, und die Alltagswelt ist ein pasticcio, auch ein akustisches. Vielleicht ist das gar nicht so dumm. Wer weiß, wozu es gut sein kann. Aber was ich nicht ausstehen kann ist auftrumpfender Hörnerpatriotismus in amerikanischer Filmmusik (deutsche Filme stehen dem kaum nach). Na ja, jetzt hab’ ich mich geoutet. Allerdings geht mir die Mannheimer Schule im Kulturradio auch manchmal auf den Senkel.
 
Was mich inspiriert: also, ich habe ja schon einiges von mir verraten, auch, was mich inspiriert. Laßt mich noch soviel dazu sagen, dass mich immer Menschen begeistert haben, die um eine tiefere Wahrheit im Leben gerungen haben, die ihrer inneren Unruhe Nahrung verschafft haben, statt sie unterzubuttern.
 
Warum ich Response mache: hier kann ich gleich in die nächste Frage springen, denn ich arbeite gern mit Kindern, Jugendlichen, unverbrauchten, begeisterungsfähigen Menschen, denen unsere ganze Hoffnung aufgepfropft ist und die doch gezeigt bekommen müssen, dass sie nicht gesellschaftliche Bringer zu sein haben, sondern im Gegenteil ein ganzes Universum eigener Kräfte und Empfindungen bei sich und miteinander zu entdecken haben. Musik kann da helfen.
 
Worauf ich mich daher besonders in Bremen freue: ich freue mich auf Response, die Menschen, die ich kennenlernen werde und die, die ich kenne und bin voll gespannter Erwartung.
 
Erlaubt mir, mit einem Wahlspruch zu enden; er ist von Rilke:

„Nichts hindert mich, alles unerschöpflich und unverbraucht zu finden: wovon sollte je Kunst ausgehen, wenn nicht von dieser Freude und Spannung unendlichen Anbeginns?“