Thorsten Encke: "Black Ice"

for 'cello solo and tape (2018-20)
dedicated to Tanja Tetzlaff

I. "Preparations" ("Steps on Frozen Ground")
- Con licenza
II. "Cracks" ("On Thin Ice")
- Vivo - meno mosso, sempre flessibile
III. "Clouds" ("Ice Mirror")
- Leggiero e volando - misterioso, irreale - volando
IV. "Afterthoughts" ("The Melting")
- L'istesso tempo ma liberamente

Angeregt durch ein kurzes National Geographic Video über einen schwedischen Eisläufer schuf ich zwei Stücke für Cello solo mit Zuspielband, die sich mit den akustischen Phänomenen des "Black Ice" auseinandersetzen. "Black Ice" nennt man eine dünne Eisschicht, die nur scheinbar schwarz, tatsächlich jedoch transparent und vollkommen glatt ist. Die Gefahr für den Schlittschuhläufer liegt auf der Hand, trägt die Eisschicht ihn doch auschließlich durch die Oberflächenspannung. Beim Gleiten über das Eis entstehen Risse und eine Vielzahl mystischer Geräusche, die einen ganz eigenartigen akustischen Raum eröffnen. Um diesen Klang-Raum ging es mir beim Erschaffen der Musik in erster Linie - weniger um das Abbilden naturalistischer Phänomene.

Für das Zuspielband wurde eine zusätzlich komponierte 2.Cellostimme aufgenommen, die klanglich bearbeitet und für das Abspielen mittels mehrerer, im Konzertsaal verteilter Lautsprecher, präpariert wurde. Die dadurch entstehende Raumakustik setzt unterschiedliche Impulse frei, schafft Nähe und Ferne, Direktes und Hintergründiges. Die Zuhörer sind von Klang umgeben. Das live Cello tritt in den Dialog mit seinem unsichtbaren Doppelgänger, muss spontan auf Ereignisse reagieren, wird mitunter klanglich eingehüllt oder tritt machtvoll hervor.

Ich schrieb "Cracks" & "Clouds" für die Cellistin Tanja Tetzlaff und ihre CD Einspielung der Suiten Nr.4-6 von Johann Sebastian Bach. Zwischen die Suiten gelagert sind die beiden Stücke sowohl Gegensatz als auch Ergänzung zu Bach, zielt doch schon die barocke Musik-Ästhetik mittels prachtvoller Ornamentik und Abweichung von der Norm auf die Idee des alle Sinne reizenden Gesamtkunstwerks.
Dass die Interpretation der Suiten von Bach für jeden Cellisten sowohl instrumental als auch stilistisch stets einem Gang auf dünnem Eis gleicht, war nur augenzwinkernder Nebeneffekt. 
2020 ergänzte ich die beiden Stücke um zwei weitere und fasste die Suite unter dem Namen "Black Ice" zusammen.

Akustisch-technische Realisation: Frank Jacobsen